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Die Gestaltung des Privatvermögens im
hohen Alter ist heikel. Hier geht es nicht mehr um die Anlage, sondern
um die Verteilung des Geldes. Das mag sich nach Haarspalterei anhören.
Wer jedoch weiß, wo Senioren im Alter von 80 oder 90 Jahren der Schuh
drückt, kennt die Situation. Es geht weniger um die Frage, ob die
Geldanlagen 2 oder 3 Prozent im Jahr abwerfen, sondern es geht in erster
Linie um die Überlegung, wie das Vermögen auf bestimmte Menschen
verteilt wird. Wie viel Geld behalten die Senioren für sich, wie viel
wird an die Kinder und Enkel verschenkt, wie viel Vermögen wird für eine
gute Sache gespendet? Die Probleme werden in folgendem Beispiel
deutlich.
Ein vermögender Zahnarzt ist 80 Jahre alt. Die
Ehefrau ist zwei Jahre jünger. Das Ehepaar hat drei Kinder im Alter von
50, 47 und 44 Jahren. Hinzu kommen acht Enkel, die zwischen 15 und 25
Jahre alt sind. Der Freiberufler ist durch Fleiß und Tüchtigkeit zu
einem beachtlichen Vermögen gekommen, wie ein Blick auf die Konten
zeigt. Bargeld, Sparbücher und Termingeld summieren sich auf 150.000
Euro, die Anleihen auf 400.000 Euro. Hinzu kommt die Rente des
Versorgungswerkes von 3.000 Euro pro Monat.Das entspricht bei einer Restlaufzeit von zehn Jahren, einem jährlichen Anstieg um 1,5 Prozent und einem Abzinsungssatz von 3 Prozent einem Vermögenswert von 333.000 Euro. Das Eigenheim könnte für 350.000 Euro verkauft werden, und die Ferienwohnung in der Schweiz ist 250.000 Euro wert. Die vermieteten Immobilien haben einen Summenwert von 900.000 Euro. Der Marktwert der Aktien liegt bei 300.000 Euro. Abgerundet wird das Vermögen durch Gold im Wert von 100.000 Euro. Das führt unter dem Strich zu einem Vermögen von 2.783.000 Euro.
Bei Geld entfaltet Missgunst ihre volle Blüte
Die Summe wird, wie das in diesem Land üblich ist, bei vielen zu bissigen Kommentaren führen. Wie ist es möglich, dass ein Zahnarzt so viel Geld hat? Und nun will dieser Mann auch noch Probleme haben, was er mit seinem Vermögen machen soll? Das kann doch nicht wahr sein! Neid ist zwar, wie Wilhelm Busch notierte, die aufrichtigste Form der Anerkennung. Doch beim Geld entfaltet Missgunst, wenigstens in Deutschland, ihre volle Blüte. Daher ist es kein Wunder, dass viele Millionäre in ihren Geldangelegenheiten einsame Menschen sind. Sie haben das Vermögen mit eigenen Händen erworben. Trotzdem bleibt ihnen in der Regel die Anerkennung versagt. Hinzu kommt die Angst, das Vermögen durch Abgaben, Inflation und Fehlentscheidungen wieder zu verlieren.Geldanlage am Ende des Lebens führt, wie gesagt, weniger zur Frage, in welche Produkte das Kapital gesteckt wird, sondern wie es verteilt werden soll. Die Gedanken münden früher oder später in die Diskussion, wie viel die Senioren für sich brauchen. Dann geht es um die Frage, wie der Überschuss abgegeben werden soll. Und am Ende wird es knifflig: Wird das Geld verschenkt oder vererbt? Und wie wird es bis zum Lebensende angelegt?
Die einfachste Frage dürfte die erste Überlegung sein: Wie viel Geld brauchen die Eltern für sich? Die Antwort wird vom Konsumverhalten der Senioren abhängen, und da ist ein Blick in die Bücher notwendig: Wie hoch sind die Ausgaben für die Autos? Wie viel kostet das Eigenheim? Wie teuer ist der Konsum? Was verschlingen die Urlaube? Wie hoch sind die Prämien für die Versicherungen?
Die einfachste Lösung ist die Erhöhung der Rücklage
Es ist gleichgültig, wie hoch die Summe ist. Wichtig ist allein die Tatsache, dass der Betrag der Wirklichkeit so nahe wie möglich kommt. Im vorliegenden Fall liegen die Aufwendungen bei 6.000 Euro pro Monat. Davon werden 3.000 Euro durch die Rente des Versorgungswerkes abgedeckt. Folglich fehlen 3.000 Euro. Das Geld steht durch Mieten und Zinsen zur Verfügung, aber das ist nicht der springende Punkt. Für die Strukturierung des Vermögens ist der Kapitalwert dieses Konsums wichtig. Wenn die Eltern zum Beispiel noch zehn Jahre leben, sollten etwa 385.000 Euro vorhanden sein, um über die Runden zu kommen.Die 385.000 Euro sind ein Entnahmeplan ohne Zinsen. Das Geld wird im Tresor verwahrt, und die Anleger vertrauen darauf, dass sich Motten und Rost von diesem Betrag fernhalten. Die Senioren nehmen sich jeden Monat 3.000 Euro aus dem Tresor, die Raten steigen jedes Jahr um 1,5 Prozent, und nach zehn Jahren ist die Truhe leer. Das hört sich einfach und klar an, und die Umsetzung ist in technischer Hinsicht nicht schwer. Nun kommen aber Ängste und Sorgen ins Spiel. Was geschieht, wenn die Eltern älter werden? Die Antwort heißt: Dann werden sie eben älter. Was ist zu tun, wenn die Senioren mehr Geld ausgeben? Die Antwort lautet: Dann sollte im Tresor mehr Geld liegen. Und was passiert, wenn der Zahnarzt a. D. zum Pflegefall wird? Die Antwort lautet: Dann ist es eben so.
Die Antworten mögen, das liegt in der Natur der Sache, hier und da Kopfschütteln auslösen. Sie zeigen aber, dass sich Senioren wie alle Anleger mit Fragen beschäftigen, auf die es keine Antwort gibt. Und deshalb halten die Menschen am Geld fest. In vielen Fällen klammern sie sich sogar krampfhaft an ihr Vermögen, und das führt zu Ängsten und Abhängigkeiten, welche die Lebensfreude stark beeinträchtigen. Die einfachste Lösung zur Vermeidung von Verspannungen an Leib und Seele ist die Erhöhung der Rücklage.
Einfach in Worten, kompliziert in der Realität
Es ist ja genügend vorhanden, so dass der Zahnarzt den Betrag, der in den Tresor wandern soll, zum Beispiel verdoppeln kann. Dann sind es nicht 385.000 Euro, sondern 770.000 Euro. Fatal ist nur die Hoffnung auf Zinsen. Der Glaube, ehrlicher gesagt, die Gier, mit Geld in den nächsten Jahren Geld zu verdienen, ist zurzeit ein Irrglaube. Die Zinsen für sichere Geldanlagen bewegen sich im Augenblick bei 2 Prozent pro Jahr. Davon bleibt nach Abzug der üblichen Fracht- und Lieferspesen vielleicht 1 Prozent übrig, so dass ältere Anleger ihre Hoffnung auf Erträge fahren lassen sollten. Die Safari in Afrika verspricht höheren Lustgewinn!Im vorliegenden Fall sollte die Erkenntnis, dass für das restliche Leben zwei Eigenheime im Wert von 600.000 Euro, die Rente des Versorgungswerkes (333.000 Euro) und die Rücklage (aufgerundet 800.000 Euro) zur Verfügung stehen, für Entspannung sorgen. Was passiert jedoch mit dem restlichen Vermögen von 1.050.000 Euro? Muss es bewahrt werden, kann es verschenkt werden, soll es vererbt werden? Senioren haben in der Regel erhebliche Probleme mit klaren Entscheidungen. Zweckmäßig wird ein Blick auf das Testament des Mediziners sein. Wenn der letzte Wille nicht formuliert worden ist, weil der Zahnarzt wegen Opern, Reisen und Rotary bisher nicht die richtige Muße gefunden hat, greift das Gesetz, wie der Jurist zu sagen beliebt.
Hier steht in einfachen Worten, dass das Vermögen zu gleichen Teilen auf die Frau und die drei Kinder übergeht. Wenn das Ehepaar das Vermögen im Laufe der Zeit gemeinsam aufgebaut hat, wird der Zahnarzt etwa 1.392.000 Euro vererben. Folglich bekommt die Ehefrau rund 696.000 Euro, und die drei Kinder jeweils 232.000 Euro. In der Wirklichkeit laufen die Dinge anders ab. Vererbt werden nicht Geldbeträge, sondern Anteile an Vermögensgegenständen. Das Ergebnis sind die berühmten Erbengemeinschaften. Jedes Konto, jede Anleihe, jede Immobilie, jede Aktie, jede Goldmünze wandert in den großen Topf, und jeder Gegenstand gehört zur Hälfte der Mutter und zu drei Sechsteln den Kindern.
Das hat in manchen Haushalten schon zu handfestem Streit geführt, so dass sich die Frage stellt, ob das im Sinne des Zahnarztes ist. Eleganter dürfte die Lösung sein, das Vermögen in zwei Hälften zu teilen. Die Eltern behalten 1.733.000 Euro, sprich: Eigenheim, Rente und Rücklage, und die Kinder bekommen, wenn sich das Restkapital wunderbar dritteln lässt, jeweils 350.000 Euro, und zwar sofort. Damit erlegen die Eltern drei Fliegen auf einen Streich. Sie denken an sich, sie kümmern sich um die Kinder, und sie entledigen sich der Sorge, die überflüssige Million anzulegen. Der Vorschlag hat nur einen Haken: Er ist so einfach, dass er höchstwahrscheinlich nicht verwirklicht wird.
Der Hauptgrund für das Festhalten ist, auch wenn es die Menschen nicht hören wollen, die nackte Angst um die eigene Haut. Man weiß nie, was im Leben geschehen wird, lautet die gängige Antwort auf die Frage, warum Geld nicht zu Lebzeiten verschenkt wird. Das ist richtig. Nur gilt die Antwort auch für die Geldanlage: Niemand weiß, wie sich Anleihen entwickeln werden, wie es mit den Immobilien weitergehen wird, was aus Aktien werden wird, wie stabil der Goldpreis sein wird.
Passivität hat ihren Preis
Vor diesem Hintergrund ist der rechtzeitige Schnitt besser. Der Schatz wird unter den Angehörigen aufgeteilt, und die Eltern sichern sich mit Hilfe eines Testaments wechselseitig ab. Die Alternative ist die Trennung des Vermögens in einen Elternteil und in einen Erbenteil. Damit sind aber die Probleme nicht vom Tisch. Erstens ist auch hierfür ein Testament nötig, und zweitens stellt sich die Frage, wie die Erbenteile bis zum Fälligkeitstermin angelegt werden. Soll in das Erbe zum Beispiel das Vermögen fließen, das die Eltern nicht benötigen? Oder sollen Streitereien bei der Verteilung des Erbes nach Möglichkeit vermieden werden?Es gibt zwei Ansätze, um Konflikte unter den Erben zu minimieren. Die Eltern rühren die Geldanlagen, die für die Kinder und Enkel vorgesehen sind, nicht an und bestimmen einen Testamentsvollstrecker, der das Erbe zu gegebener Zeit versilbern und das Bargeld auf die Erben verteilen wird. Oder die Senioren erledigen diese Arbeit selbst. Konkret bedeutet das, dass die unbeweglichen Teile des Vermögens, vor allem die vermieteten Immobilien, verkauft werden. Das mag sich in Zeiten, in denen Geld vorzugsweise in Immobilien fließt, merkwürdig anhören, doch wenn die Kinder das erste Erbe für die Tilgung von Schulden brauchen können, hat die Lösung viel Charme.
Die mit Abstand schlechteste Lösung ist Passivität, denn die hat ihren Preis. Die erste Maßnahme bei der Verwaltung des Vermögens sollte die Überprüfung der Kosten sein. Wenn das Geld einfach und solide angelegt wird, ist kein Verwalter notwendig, der jedes Jahr 1 bis 2 Prozent des Vermögens kostet. Da sind börsengehandelte Indexfonds die günstigere Lösung. Die zweite Maßnahme ist das Testament, wenn der Wille von den Vorgaben des Gesetzes abweicht. Die dritte Maßnahme ist die richtige Aufteilung des Vermögens, und die vierte Maßnahme ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die größte Herausforderung. Die Senioren sollten ihre Zeit nicht für die Verwaltung von Geld verschwenden. Dafür sind die letzten Jahre des Lebens zu kostbar!
Der Autor ist Finanzanalytiker in Reutlingen.
Sursa: faz.net
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